Leserbrief
erstellt am 18. Juli 2014
So erschienen Anfang Juli in der Marbacher Zeitung.
Meine Gedanken waren: Machen sich Bauplaner auch Gedanken über die Fußgänger? Für die Autofahrer ist durchaus gesorgt: durch Beschilderung, Umleitungen usw. Jedoch habe ich zunehmend das Gefühl, dass Fußgänger eine Minderheit, welche unter den Tisch gekehrt wird, darstellen. Noch weniger Gedanken macht man sich über die Fußgänger, die ein Handicap haben wie z. B. eine Behinderung, ältere Menschen mit Rollator oder Frauen mit Kinderwagen. Als ich Mittagspause in der Praxis machen wollte und mich auf meinem Nachhauseweg befand, wollte ich ganz unbedarft und zügig wie immer die Fahrbahn überqueren. Mir war es unangenehm abermals die Bauarbeiter bei Ihrer Tätigkeit zu stören und um Hilfe beim Überqueren der Fahrbahn zu bitten, als mich jemand durch laute Zurufe stoppen wollte. Diesem Rufen wollte ich nicht Folge leisten. Der Baggerfahrer erkannte das, kletterte flugs von seinem Bagger und kam zu mir. Er begleitete mich über die Straße und wies seine Mitarbeiter schroff zurecht, dass sie nicht nur „glotzen” sollten, sondern helfen. Schließlich hätten sie alle die Verantwortung für diesen Mann, wenn er die Baustelle betritt. Dies fand ich in höchstem Maße lobenswert und fürsorglich und möchte hier ein freudiges Lob aussprechen. Da immer, wenn sich jemand in einem Leserbrief äußert, wird geschumpfen, gebruddelt, gezetert und kritisiert. Ich möchte meinen höchsten Dank und meine Freude zum Ausdruck bringen, dass es noch diese freundliche, leichtfertige, frohsinnige Mitmenschlichkeit gibt. Denn auch von anderen die Baustelle überquerenden Bürgern konnte ich hören, dass diese Bauarbeiter freundlich, lustig und frohsinnig ihre Arbeit verrichteten und freundlich zu allen Mitbürgern waren.
Eine weitere Episode sei noch bemerkt:
Als der Straßenbelag dann aufgebracht war und die Fahrbahn wieder ein angenehmes Fußgängerüberquerungsbenutzerprofil hatte, dachte ich jetzt kann ich wieder selbständig und frei ohne fremde Hilfe die Straße überqueren. Ich betrat die Fahrbahn, da ertönte ein Ruf: „Stopp, stopp!” Ein Arbeiter hielt mich am Arm. Ich wollte diesem Ruf nicht Folge leisten und wollte eigensinnig und stur den Weg fortsetzen, um meiner neugewonnenen Selbständigkeit zu frönen. Dieser Bauarbeiter wies mich auf lustige, doch etwas schroffe Weise mit folgenden Worten darauf hin: „ Was bist du für eine eingebildete Mensch? Habe wir de Deckele von de Schachte offe. Weißt du, mache wir alles tipi topi Wasser. Wo kommt des Wasser her? Aus de Schlauche! Wo kommt de Schlauche her? Aus de Schachte! Und jetzt kommst du. Habe ich Verantwortung für Dich, wenn du kommst auf de Baustelle.” Als ich mich dann bei ihm bedanken wollte und erwiderte, dass er Recht habe usw., sagte er nur: „Okay, alles klar. Meine deutsche nicht so gut. Machst du nicht viele Worte. Gehst du. Gehst du deine Wege.” Aus lauter Hochmut wäre ich beinahe in den Schacht gefallen. Ich möchte diesen Bauarbeitern noch einmal mein Lob aussprechen. Sie haben mir jedes Mal den Tag sonniger gemacht, wenn ich ihnen begegnet bin.
Dieser Leserbrief soll zum Ausdruck bringen, dass es durchaus jede Menge positive Dinge gibt, die es zu loben und die erwähnenswert sind. Auch möchte ich natürlich darauf hinweisen, daß die Städteplaner und Bauplaner uns Fußgänger und auch uns gehandicapte Fußgänger in ihre Planung mit einbeziehen mögen. Z. B. ist es für jemanden der wie ich blind ist und seinen Weg in- und auswendig kennt, sehr schwer, von jetzt auf nachher vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden und plötzlich einen neuen Weg erforschen zu müssen. Daher wäre es sinnvoll, man weiß rechtzeitig über Baumaßnahmen Bescheid, dass man von Dritten eine neue Möglichkeit gezeigt bekommen kann oder die Möglichkeit hat, sich einen neuen Weg zu erarbeiten.
Thomas Bauschert